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Das Verständnis von Arbeit im Neuen Testament im Horizont der Naherwartung

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Academic year: 2020

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(1)

im Horizont der Naherwartung

D Dormeyer

Westfálische Wilhelms-Universitát, Miinster

Abstract

Understanding labour in the New Testam ent against the backdrop of the delay of the parousia

W hat is central in the New Testament: industriousness (cf 2 Th 3: 10) or labour evasion (cf Mt 6: 25)? It seems

as if both perceptions are presented in the New T esta­ ment. The article aims to discuss the issue by exploring

labour as a theological concept against its Old T esta­

m ent, Ju d a istic and G re ek background, as well as

against the backdrop o f the delay of the parousia in

New Testam ent times. Subsequently, a social-theore­ tical based theology of labour is abstracted from the biblical ethos, and particularly from Jesus’ acts and the

believes of the New Testam ent communities. Such an

ethos comprises the right of man to labour, to provide for oneself, but to be human in respect of other.

EINLEITUNG

Es gibt im Neuen Testament keine ausgeprágte Theologie der Arbeit. Wohl gibt es

eine Reihe von Bemerkungen zu Arbeitsverháltnissen und -bedingungen.

Wie so oft bei ntl. Themen, scheinen solche Hinweise zueinander im Gegensatz

zu stehen. Bekannt und viel zitiert sind Jesu Ausfuhrungen von falscher und rechter

Sorge in der Bergpredigt: ‘Darum sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben,

was ihr essen und trinken werdet, auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen

w erdet. 1st nicht das Leben m ehr als die N ahrung und d er Leib m ehr als die Kleidung?’ (Mt 6: 25).

* U b cra rb c ile te V orlcsung im R ahm en d er Ringvorlesung d er K ath-Theol F akultát d e r W W U im SS 88.

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Das Vcrsiandnis voo Arbeit im Neuca Testament

Dem gegeniiber steht die ebenfalls viel zitierte Anweisung aus 2 Thess 3: 10,

‘D enn als wir bei euch w aren, haben wir euch dieses geboten: "Wer nicht arbeiten will, soli auch nicht essen'”.

W ahrend aus Jesu W eisheitsw ort ein arbeitsfreies H ippie-L eben abgeleitet w erden kann, schárft der 2. Thessalonicherbrief den biirgerlich-mittelschichtigen Zwang zur Arbeit ein.

Was ist nun zentral christlich: Faulenzerei oder Arbeitseifer?

Wir werden sehen, daB die Intention Jesu und der ntl. Interpretation in 2 Thess

auf einem breiten, gemeinsamen Hintergrund zu sehen sind.

So haben wir zuerst den theologischen Begriff der Arbeit auf dem Hintergrund der alttestam entlichen Tradition, der friihjiidischen Interpretation und der antiken

Einstellung zu erarbeiten.

In einem 2. Schritt wird es um eine kritische Befragung der neutestamentlichen Vorstellung von Arbeit gehen. Haben Jesus und die nachosterlichen Autoren schon

eine wissenschaftliche Sozialtheorie besessen? Wenn nein, bleiben die Aussagen

zur A rbeit nicht vordergriindig, ohne Anspruch auf prinzipielle Einsichten und Anweisungen?

In einem 3. und 4. Schritt unternehm e ich den Versuch, implizite Ansátze zu einer sozialtheoretisch fundierten Theologie der A rbeit in den H andlungen Jesu

und der ntl. Gemeinden aufzuweisen.

H IN T E R G R uN D E FAR D IE T H EOLOGISCHEN AUSSAGEN ZUR A RB EIT

IM NT

In den b e id e n S chopfungsgeschichten des A T wird die tá g lic h e A rb e it des

Menschen als gottgewollt verankert. Der jahwistische Schópfungsbericht G en 2: 4b-

3: 24 geht von der Selbstverstandlichkeit der Pflege des G arten Edens aus: ‘Gott,

der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den G arten von Eden, damit er

ihn bebaue und hiite’ (G en 2: 15). Nach dem Sundenfall wird die Arbeit durch die

Verfluchung des A ckerbodens zur Miihsal (G en 3: 17), doch ist nicht die Arbeit verflucht, sondern lediglich das Betátigungsfeld der A rbeit. D ie A rbeit bleibt

gottgew ollte F orm m enschlicher S elbstverw irklichung. So wird auch G o ttes

Schopfungshandeln mit M etaphern aus der Arbeitswelt beschrieben: Er formt wie

ein Tópfer den Menschen, er legt wie ein G artner einen G arten an, er nimmt wie ein Chirurg aus der Seite des Menschen eine Rippe.

D er sp átere, p riesterliche Schópfungsbericht b ehált solche A nthropom or-

phism en bei, erw eitert sie aber um die abstraktere Tátigkeit des Sprechens und Sehens.

(3)

Auf der Grundlage des in der Schópfung und Geschichte tátigen G ottes kann

das gesamte AT von dem theologischen Sinn menschlicher Arbeit ausgehen. In den

Psalm en preist es die A rbeit G ottes in Schdpfung (Pss 8; 19; 104) und Geschichte

(Pss 66: 3) (u.ó Bertram 1935; PreuB 1978). In die Darbringung der Erstlingsfriichte wird das zentrale Bekenntnis an die Befreiungstat Jahwes eingebettet (D tn 26:

5-10). Israels Erntearbeit ist von Jahwes Arbeit an Israel umfangen.

Da aber menschliche A rbeit vom ‘Schweifl des Angesichts’ nicht ablosbar ist, kennt Israel wie alle R eligionen arbeitsfreie Festtage. Es fiihrt als Novum den

Rhythmus der 7 Tage Woche ein: an jedem 7. Tag findet der Sabbath, der Ruhetag fiir Jahwe und fur den menschlichen Arbeiter, statt.

‘Eine Abwertung korperlicher Arbeit im Gegensatz zur "geistigen" ist dem AT

unbekannt’ (PreuB 1978: 616). Fiir die von Jahwe beherrschte Zukunft erhoffen

sich d ah e r die P ro p h eten nicht das E nde von A rbeit o d er die T ransform ation

korperlicher zu geistiger A rbeit, sondern den ungestorten 7 Tage Rhythmus der

Woche ohne Miihsal, Krieg und Katastrophen:

Das bekan n te M otto der Friedensbew egung aus Jes 2: 4; Mich 4: 3, ‘Dann schm ieden sie Pflugscharen aus ihren Schw ertern und W inzerm esser aus ihren

Lanzen’ ist deutlich genug.

Das Judentum zur Zeit Jesu halt and dieser Sicht der Arbeit fest. Das Rabbinat

verpflichtet sogar ausdriicklich seine M itglieder auf die Ausiibung eines Hand- werkes und verhindert damit eine Aufspaltung in Kopfarbeit einerseits und Hand-

arbeit andererseits:

Rabban Gamaliel, der Sohn des Rabbi Juda, des Fiirsten, sprach:

Lieblich ist es,

das Gesetzesstudium mit weltlicher Bescháftigung zu verbinden;

denn das Streben nach beiden láBt das Siindigen vergessen.

Aber nur Studium ohne andere Bescháftigung

nimmt sicher ein Ende

und zieht Siinde nach sich (M. Aboth 2: 2).

Im Gegensatz dazu hielt die Antike nichts von korperlicher Arbeit, dieser Eindruck drángt sich jed en falls auf, wenn man den verachtlichen Bem erkungen Platos,

Aristoteles und anderer unkritisch Glauben schenkt. Doch schon das Pládoyer des

Schumachers Sokrates fiir den Vorzug korperlicher Arbeit in Platos Dialogen sollte w arnen, P lato zu vordergriindig zu v ersteh en . P lato w endet sich gegen das

m aterialistische ‘Erwerbsdenken’, das die geistige Tátigkeit des Philosphierens als

unniitz abblockt. So muB die antike Ablehnung korperlicher A rbeit differenziert

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Das Verst ándnis von Arbeit im Neuen Testament

gesehen werden (K P 1 ,1979: 490 ff).

Fiir die U n te rsc h ic h t d e r Sklaven, L o h n a rb e ite r und K lein p ac h ter w ar

korperliche A rbeit eine miihselige, aber zugleich eine sinnvolle und heilige Tátig- keit. D em eter ist die G ottin der Fruchtbarkeit. Nur fiir eine diinne Oberschicht

wird in der klassischen Zeit die Distanz zu korperlicher Arbeit zum Elitemerkmal. D aher w enden sich in hellenistischer Z eit die philosophischen Strom ungen der

Kyniker und der Stoa gegen dieses Klassendenken und fordern in der Betonung der

elem entaren Menschlichkeit die klasseniibergreifende, korperliche Arbeit.

In der róm ischen G esellschaft verscharft sich d er M akel der korperlichen

A rbeit. Aus dem derben Bauernvolk, von dem C ato noch schwarm te, war ein

wohlhabendes H errenvolk von G rundbesitzern und Militárs geworden. Niemand darf in der Republik und im Prinzipat ein Amt bekleiden, der einen Beruf ausiibt.

E ntsprechend gehórt zum romischen, freien Burger das otium , die ‘MuBe’, und

kennzeichnet den unterw orfenen P rovinzialen die H an d arb eit. Fiir die freie, romische Mittel- un Unterschicht bleiben lediglich einige ‘anstándige’ Berufe als

Erwerbsnischen zugánglich wie Lehrer, Schiffsreeder und Kaufmann. Wer nicht in diese Berufe kam, muBte als Plebs von ‘Brot und Spielen’ auf Staatskosten leben -

haben wir hier mit der hohen Dauerarbeitslosigkeit in der Bundesrepublik und in

Europa ein kiinftiges Modell fiir das Verháltnis von 1. zur 3. Welt vor uns?

A uf diesem zeitgeschichtlichen H orizont gew innen die A ussagen Jesu ein

deutliches Profil. Selbstverstándlich em pfiehlt er in der Bergpredigt nicht den

verantw ortungslosen MiiBiggang eines w estlichen Hippies. Jesus geht von der

Selbstverstándlichkeit taglicher, miihevoller A rbeit aus. Er schlieBt den kleinen,

weisheitlichen Exkurs von der ‘falschen und rechten Sorge’ mit der Mahnung ab: ‘Sorgt euch also nicht urn morgen; denn der morgige Tag wird fiir sich selbst sorgen.

Es is genug, daB jeder Tag seine eigene Plage hat’ (Mt 6: 34).

Nicht um arbeitsscheue Sorglosigkeit geht es, sondern um die tágliche Arbeit in

sorglosem G ottvertrauen. G ott hat in Jesus von Nazareth seine Kónigsherrschaft

der Himmel anbrechen lassen. Er sagt in den Seligpreisungen den Armen, Trauern- den, Gew altlosen und Friedensstiftern die Konigsherrschaft zu (Mt 5: 3-11). Sie

konnen sie schon jetzt erfahren, wenn sie sich auf das Handeln Jesu einlassen. Aus

der GewiBheit der váterlichen Fiirsorge Gottes heraus konnen sie auf die GewiBheit

der táglichen Lebenssicherung verzichten. Nicht die K om petenz zur táglichen Gestaltung der Welt ist an G ott abgegeben, sondern allein die Sorge ist abgegeben,

die e rfo rd e rlic h e n R ahm enb ed in g u n g en fiir eine erfo lg reic h e A rb e it selbst h e r s te lle n zu m iissen. G o tt, d e r V a te r und S ch ó p fer, sic h e rt se lb st die

Rahm enbedingungen fiir den Erwerb des táglichen Brotes. ‘U nser tágliches Brot

gib uns heute’ beten wir daher in Anlehnung an Mt 6: 11 im Vater-Unser.

(5)

Von der Freisetzung zur sorglosen táglichen A rbeit nach der Bergpredigt zur

Verpflichtung auf Arbeit nach 2 Thess 3: 10 ist es daher nur ein kleiner Schritt. Es

ist anzunehm en, daB die Arbeitsscheu einem MiBverstandnis der zugesprochenen G ottesherrschaft entspringt. Eine akute Naherwartung muB nicht eigens bemiiht

werden (so zu Recht Trilling 1980:148-152). Es widerspricht ®elbstverstandlich der G ottesherrschaft, daB Arbeitsscheu auf Kosten d e r/d e s arbeitenden Schw ester/

Bruders ausgelebt wird.

Als Paránese, also M ahnrede, zur Arbeit leuchten die Aussagen Jesu und des

deuteropaulinischen 2 Thess ein, doch nun stellt sich eine grundsatzliche Frage an die prinzipielle Grundlage dieser Paránese (Furger 1984).

Reicht es aus, G ott allein die H erstellung der Rahm enbedingungen fiir eine humane, tágliche Arbeit zuzuweisen? 1st nicht der Mensch verantwortlich fiir die

gesamte Gestaltung seiner Arbeitswelt?

SOZIALTHEORETISC

H

E HERMENEU

T

IK DER NTL PARáNESE ZUR AR-

B Err

Die moderne Sozialwissenschaft (Weber 1923; Finley 1977) und die moderne sozial-

theoretische (Hengel 1973; TheiBen 1979) und m aterialistische Schriftauslegung

(B elo 1980) haben nachgewiesen, daB die A ntike noch keine S ozialtheorie in unserem neuzeitlichen Sinne besessen hat. Sie kennt mit X enophon (Úkonomos)

und Cato (De agricultura) wohl Paránese und Lebensweisheit zur Arbeit, aber noch

kein Theoriem odell, das auf der M etaebene mit anderen Modellen verglichen und

diskutiert werden kann. Die Prinzipien, nach denen die Arbeitswelt gestaltet wird,

werden als vorgegeben erfahren und sind dem BewuBtsein als gestaltbare GróBen noch nicht zugánglich.

So kann das gesamte NT einschlieBlich Jesu von N azareth von der gottgewoll-

ten Ordnung der vorgefundenen Arbeitswelt ausgehen. Dann erklárt es sich, daB es

von Jesus kein Wort zur Sklaverei gibt, daB Paulus die Sklaven auffordert, in ihrem

Stand zu bleiben (1 Kor 7: 21) und daB die Giitergemeinschaft nur als vergangene Einrichtung einer idealen Ursprungszeit von Lukas vorgestellt wird (Apg 2-4).

Zu der rom ischen ‘Sklavenhaltergesellschaft’, zu der subasiatischen Produk-

tionsweise (Belo 1980), zu der Zentrierung auf Polis, Kapital und Militár fmden sich

keine kritischen ÁuBerungen.

Dennoch gelingt es Jesus und dem NT, auf der religiosen Ebene die Grund-

lagen der damaligen Ókonomie infrage zu stellen, ohne daB dieser Bezug ausdruck- lich hergestellt wird. Diese Impulse werden erst in der langen Wirkungsgeschichte

erk an n t w erden. Die revolutionáren Ideen Jesu bilden sich auf der religiosen

E b en e aus, g e ra d e weil die A nalyse d e r G ese llsc h aft a u f d er sozialen und

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Das Vcrstándnis von Arbeit im Ncucn Testament

okonom ischen Ebene noch verschlossen war. Die Botschaft von der G ottesherr-

schaft fiir die Armen wird zum Motor, die Situation der Arm en und ihrer Arbeits-

m oglichkeiten als unzureichend zu erkennen und an der Sorge G o tte s fiir die

V eránderung der R ahm enbedingungen der Arm ut gestaltend mitzuwirken (ggn. Hengels 1973 Begriff ‘Liebespatriarchalismus’).

Wir stehen noch immer in diesem ProzeB.

Als Prinzipien lassen sich aus dem biblischen Arbeitsethos ableiten:

1. Jeder Mensch hat ein Recht auf Arbeit.

2. Die Arbeit hat den táglichen Lebensunterhalt zu sichern.

3. Die Rahmenbedingungen der Arbeit haben human zu sein.

Lassen sich diese Prinzipien in der religiósen Verkiindigung des NT noch deutlicher

finden als in den bisherigen, direkten ÁuBerungen zur Arbeit?

IM PL IZ IT E PAR áN ETISCH E, M O D ELLH A FTE U N D PR IN Z IPIE L LE AUS-

SAGEN Z U R A RBEIT IM NT

Als P aradebeispiel fiir eine zukunftsw eisende Sicht von A rbeit bietet sich Jesu Parabel von den A rbeitern im W einberg Mt 20: 1-16 an. D er Vergleichspunkt des

Gleichnisses láuft auf die Giite des W einbergbesitzers zu. Wie der H err aus Giite

alien den gleichen Lohn gibt, so gibt auch G ott alien, die sich fiir ihn abmiihen,

seine Herrschaft als gleichen Lohn.

Nun weist die neuere Gleichnisforschung zu Recht daraufhin, daB ein Gleichnis

nicht nur auf den springenden Punkt hin aufgebaut ist (Schottroff 1979; Harnisch

1985). Die Bestreitung einer Úbertragung in die Sachhálfte halte ich wiederum fiir eine Ubertreibung (ggn. Weder 1978). So tragen neben der Giite des Besitzers auch

alle an d e ren Erzáhlziige Sinn, der fiir die S achhálfte, die G o tte sh errsch a ft in

unserer gesellschaftlichen Realitát, iibertragbar bleibt.

Die Antwort derer, die erst zur 11. Stunde angeworben werden, auf die Frage:

‘Was steht ihr hier den ganzen Tag untátig h erum ?’ lautet: ‘N iem and hat uns

angeworben’ (V 6f.). D er Marktplatz ist das Arbeitsamt. Dort versammeln sich die

T ag eló h n er am friihen M orgen, um fiir den Tag u n te r V ertrag genom m en zu

werden. Am Abend muB der Lohn ausgezahlt werden, dam it der Tagelohner fiir den heutigen Tag (so die V aterunserbitte Mt 6: 11) das notwendige Brot kaufen

kann. Jak 5: 4 klagt daher an: ‘Aber der Lohn der A rbeiter, die eure Felder abge- máht haben, der Lohn, den ihr ihnen vorenthalten habt, schreit zum Himmel’. Nach der Bildhálfte der P arabel herrscht auf diesem M arktplatz ein Ú berangebot an

A rbeitskráften. Ben David kann nachweisen, daB zur Z eit Jesu die H álfte der

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galiláischen Bevólkerung unter dem Existenzm inimum lebte (Ben David 1974). Wenn die Kleinpachter ihre Pacht nicht zu zahlen vermochte, konnte der Schuldner

das Land pfánden und in eigene Bewirtschaftung iibernehmen. D er Páchter sank

zum Tagelohner herab. DaB sogar die eigenen Familienm itglieder in die Schuld- sklaverei verkauft werden konnten, schildert uns die Parabel vom unbarmherzigen Knecht nebenher (Mt 18: 25).

Die Arbeitslosigkeit ist also in Galiláa eine iibliche Erscheinung. Sie findet sich auch in den hellenistischen Hafenstádten (Finley 1977; ggn. Hengel 1973).

Nun m acht das SchluBgesprách zwischen B esitzer und G anztags-A rbeitern Schwierigkeiten. Die zuerst Eingestellten murren: ‘Diese letzten haben nur eine

Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgestellt; wir aber haben den ganzen Tag

iiber die Last der A rbeit und die Hitze ertrag e n ’ (V 12). Die A rgum entation beschránkt sich auf die ókonomische Ebene. D er Besitzer verstoBt gegen das Ab-

hángigkeitsverháltnis von A rbeitszeit und Lohn. M ehr A rbeitszeit bei gleicher

A rbeit bringt normalerweise m ehr Lohn mit sich (Schottroff 1979: 78; Ben David 1974).

Bedauerlicherw eise begibt sich der Besitzer nicht auf die soziale E bene der A rbeitsbedingungen, um auf die unverschuldete Arbeitslosigkeit der anderen zu

verweisen, sondern zieht sich auf die juristische Machtposition des Vertragsherrn

zuriick, der die V ertráge nach Belieben diktieren kann: ‘Mein Freund, ich tue dir

kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm das Deine und geh. Ich will diesem Letzten geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehórt, nicht

tun, was ich w ill?’ (Vv 13-15a). D ann springt er unverm ittelt auf die ethisch-

religiose Ebene iiber: ‘O der ist dein Auge neidisch, weil ich gut bin?’ (V 15b).

Soil hier die okonomische Selbstverstándlichkeit der Abhángigkeit von Arbeits­ zeit und Lohn moralisch disqualifiziert werden? Wohl kaum, denn der Besitzer hat

die Kritik von den letzten A rbeitern weggezogen und auf sich selbst bezogen. Er

aber erklárt ganz im Sinne der antiken W irtschaftsordnung die Kritik an seiner

V ertragspraxis von vornherein fiir unsittlich. Seine V ertráge sind Abschliisse

zwischen zwei R echtspartnern. Die soziale und dam it juristische U ngleichheit zwischen den vertragsschlieBenden P arteien bleibt ausgeblendet. Sie wird von

keiner Seite eingebracht und kann auch nicht angemeldet werden, da das BewuBt-

sein fiir strukturelle Ungleichheit von G ruppen und Klassen noch fehlt und tief bis

ins 19. Jh. noch fehlen wird.

Zu R echt sprechen d aher H engel und TheiBen bei dieser Auffassung vom ‘L ie b esp a triarch a lism u s’. D er P atria rc h e n tsch e id et vóllig frei von sozialen Klassenverpflichtungen, wie er das Dienstverháltnis zu einer Einzelperson gestaltet.

Es gibt keine D ienstvertráge, keine G ew erkschaft, kein A rbeitsgericht. Die

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Das Verslándnis von Arbeit im Ncuen Testament

internen Beziehungen im ‘H aus’ sind dem Zugriff und der K ontrolle der Gesell- schaft weitgehend entzogen. D aher kann der Hausherr seine Giite jedem Abhángi-

gen in der Weise zukommen lassen, wie er allein von seiner Autoritátsposition es fiir sinnvoll erachtet. Neid entsteht in der Konkurrenz um die Liebeszuwendung des

H errn. Bei meinem A ufenthalt als ‘visiting professor’ in Siidafrika hatte ich die

Gelegenheit, den ‘Liebespatriarchalismus’ als Herrschaftsform eines Farmbetriebs

kennenzulernen. Bei allem R espekt vor dem Ethos m einer G astgeber vermag dieses Modell die notwendige Erziehung zur Miindigkeit in der modernen Arbeits-

welt nicht mehr zu gewáhrleisten.

W enn der Sinn dieser Parabel bei der Argumentationsfigur des Liebespatriar­

chalismus sich erschópfen wiirde, hátte diese Parabel keine Zukunftsperspektive.

Doch b ie te t d er E rzáh lteil einen SinniiberschuB an, der in d er Textw elt nicht

aufgeht (vgl Van Aarde 1989).

D enn d er H o re r muB aus dem V orhergehenden ergánzen, daB die letzten

Arbeiter ja gar nicht die Chance zur vollen Arbeitszeit gehabt haben. Die Giite des B esitzers kom pensiert die auB ertextuell gegebenen, unzureichenden A rbeits-

bedingungen. D er Besitzer arbeitet auf der Interaktionsebene ab, was die struk- turelle Ebene an Ungleichheit bewirkt (Luhmann 1977). Allerdings hat der Besit­

zer noch nicht das BewuBtsein, daB die A rbeitsm arktsituation eine V eránderung

notig hat. Er begniigt sich damit, auf der Interaktionsebene die personalen Note anderer w ahrzunehm en und um die Linderung deren Not zu werben. So gibt er

dem Letzten, was der fiir den táglichen Lebensunterhalt benotigt: 1 D enar. Ohne

diesen Lohn miiBte die Familie hungern. Zugleich fordert er von den Erstarbeitern

die Solidaritát fiir die letzten ein (Schottroff 1979: 82).

Nach Luhm ann besteht in dieser A barbeitung von Not auf der Interaktions­

ebene, wobei zugleich eine Stabilisierung der strukturellen Ungleichheit bewirkt

wird, die zentrale Aufgabe der christlichen Diakonie, damals wie heute (Luhmann 1977).

Nun láBt sich dagegen einwenden, daB das Gleichnis indirekt daran appelliert,

solche A rbeitsm arktsituation zu schaffen, in der niem and den ganzen Tag auf

A rbeit w arten muB. C hristentum begniigt sich also keineswegs mit der Stabili­

sierung struktureller Ungerechtigkeit, sondern erhebt mit diakonischem Handeln ein en stándigen P ro test gegen die V erháltnisse, die ein solches diakonisches

H andeln erst notwendig machen, um Hum anitát noch aufrecht zu erhalten. In der

Tat wird sich das Christentum ab der Urkirche gemáB 2 Thess 3: 10 bemiihen, alien

arbeitssuchenden Gláubigen Arbeit zu verschaffen (Hengel 1986). Was aber weiB

das C hristentum zu sagen, wenn es sich in einer Situation struktureller Arbeits- losigkeit befindet?

(9)

Diese D ialektik zwischen liebender Diakonie auf der In terak tionsebene und Leiden an der struktureilen Ungerechtigkeit bringt m. E. die ntl. Apokalyptik noch

deutlicher zum Ausdruck.

In Offb 13 sieht der Prophet Johannes zwei Tiere aufsteigen: Dem T ier aus dem

M eer folgt das Tier mit zwei H óm ern und der Rede eines Drachen. Dieses zweite

Tier ‘befahl den Bewohnern der Erde, sie sollen ein Standbild errichten zu Ehren

des Tieres, das vom Schwert getroffen war, aber wieder lebendig wurde. Es wurde ihm M acht gegeben, dem Bild des Tieres Atem einzuhauchen, so dafl es auch zu

sprechen begann; und es wurde ihm Macht gegeben, alle zu toten, die das Bild des Tieres nicht anbeten wollten. Die Kleinen und die GroBen, die Reichen und die

Armen, die Freien und die Sklaven, alle zwingt es, auf ihre rechte H and oder ihre Stirn einen Stempel driicken zu lassen. Es soil nur kaufen oder verkaufen kónnen,

wer den Stem pel trágt: den Namen des Tiers oder die Zahl seines N am ens’ (13:

14b-17).

Das T ier verteilt Kennzeichen und schlieBt alle vom Kaufen und V erkaufen aus, die kein Kennzeichen haben.

Eine religiose Forderung, die Standbildverehrung des regierenden Kaisers, wird mit okonomischen KampfmaBnahmen verbunden. Am Warentausch diirfen nur die

Anhánger des Tieres teilnehmen, die anderen werden marginalisiert.

Diese apokalyptische Symbolik greift iiber realistische Erzahlungen wie der Parabel von den W einbergarbeitern hinaus. Sie deckt die Strukturen hinter der

erfahrbaren Wirklichkeit auf und verschliisselt gleichzeitig diese Strukturen, so daB

sie mehrdeutig werden und fiir alle Zeiten giiltig bleiben.

Wen bezeichnet das Tier aus dem Meer und das Tier mit den beiden Hórnern

und der Dractstimme?

Die K om m entare bem iihen sich m eistens um eine eindeutige Zuordnung,

indem sie das Tier aus dem Meer mit der romischen Seemacht und das zweite Tier mit den Leitern der Kaisertempeln, den Asiarchen der westkleinasiatischen Kiiste,

gleichsetzen (Wikenhauser 1959; Lohse 1971; Muller 1984).

Will aber der Prophet der Offenbarung eine solche eindeutige Allegorisierung

o der hat er bewuBt mit ein er Symbolik g earb eitet, die gerade nicht eindeutig iibertragen werden will, sondern in der Mehrdeutigkeit verbleibt (Ricoeur & Jungel

1974; Giesen 1986; Trummer 1987)?

Das Tier aus dem Meer ist nicht mit Rom gleichzusetzen, wohl aber steht die

romische Flotte im Dienst des Tieres, dem Symbol einer bedrohlichen, gottfeind-

lichen Staatsmacht. Das Tier mit den zwei H órnern sind nicht die Asiarchen, wohl

aber stehen sie wie alle ubrigen Burger der Polis im Dienst dieses Tieres. Beide Tiere symbolisieren Strukturen, nicht Personen.

(10)

Das Verstindnis von Arbeit im Neuen Testament

‘Was er sieht, ist nicht der Hóhe- und Endpunkt eines Prozesses, sondem eine Grundbeschaffenheit menschlicher Geschichte, die iiberall und immer wieder sicht-

bar wird. Die beiden Tiere gab es schon, bevor die Gem einden des Johannes von

ihnen h o rten; sie sind auch heute seh r lebendig, und sie w erden m it all ihrer erschreckenden Macht und ihrer Erbarmungslosigkeit immer wieder auftauchen, bis

der endgiiltige Sieg in Christus kommt.

Ich teile auch nicht die Ansicht derer, die meinen, daB diese Visionen sich nur auf einen kleinen A usschnitt der G eschichte beziehen, namlich auf die Z eit des

Johannes. Diese Ausleger glauben, daB Johannes nur die Kaiser beschreibt, die er kannte, insbesondere Galigula, dessen Regierungszeit drei Jahre, zehn Monate und

sieben Tage betrug, oder Nero und die Legende siener W iederkehr von den Toten. D ie V isio n en des Jo h a n n e s sind m ehr als nur z eitgenossische, ‘ch ristlic h e’

G eschichtsschreibung. Sein Buch is Prophetie, und das heiBt, daB es den Dingen

auf den G rund geht, daB es um ein V erstehen der G eschichte und nicht nur um

deren Aufzeichnung geht. Seine Visionen sind Visionen prophetischer Einsicht. Er weiB, daB Nero, Galigula und Domitian nur M anifestationen einer Grundbeschaf­

fenheit menschlicher Geschichte sind. Aber auBer und iiber dieser Grundbeschaf­

fenheit, auBer und iiber dem Gebriill der Tiere gibt es G ott, seine Liebe zu den Menschen bleibt bestehen, und sein G ericht kommt ganz gewiB. So lebhaft Johan­

nes sich der Macht der Tiere auch bewuBt ist, sein G laube an die Treue Gottes ist unerschiitterlich (Boesak 1988: 104 f).

Diese vortheoretische, symbolische Erfassung der modernen Systemtheorie und

G eschichtstheorie zeigt sich in der Sprachwelt der gesam ten Apokalyptik, in der

Symbolik von den vier Reichen, der Endzeitwehen und der Endzeitkatastrophe: Die

M enschen richten die W elt durch ihren religiosen Abfall von G ott zugrunde zu einer W elt, in der die Symbolik des Bosen regiert und in die Z erstórung hinein-

treibt.

Nicht um verschliisselte Denunzierung, sondern um Aufweis der Ohnmacht und

der Zerriittung geht es dem apokalyptischen Propheten. D er Vergleich der klein-

asiatischen Situation mit der Apg soli zeigen, wie handlungsunfáhig sich der Prophet

gegeniiber Lukas erfahrt.

D er P rophet Johannes stellt mit den 7 Sendschreiben, die u.a. an Ephesus gehen, eine ausdriickliche Beziehung zwischen individueller Gemeindesituation und

apokalyptischen Unheilsvisionen her.

Auch Lukas, der zeitgleich mit Johannes die Apg schreibt, kennt einen Konflikt in Ephesus. Die Silberschm iede probten den A ufstand gegen Paulus, weil die

christliche M issionspredigt zum Riickgang der G o tte rv e re h ru n g und dam it zu

finanziellen EinbuBen fiir den H andel mit Devotionalien fiihrte (Apg 19: 23-40).

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D er Statthalter der Doppelprovinz Bithynien und Pontos um 110/111, Plinius d J., wird in seinem beriihmten Briefwechsel mit Trajan diesen bem erkbaren Erfolg des

Christentums bestátigen (Plinius, ep X 96). Als Problemlosung schlágt Lukas genau

den entgegengesetzten Weg als der Prophet Johannes ein. D er heidnische Stadt- schreiber bringt die Menge mit dem Hinweis zur Ruhe, daB der Tumult gegen die

Ruhepflicht der Stadt verstoBe und zu einem Anklagepunkt vor dem rom. Prokonsul

in Kleinasien w erden kónne (Apg 19: 40). Nun aber machen die Gem einden des

P ro p h e ten die entgegengesetzte E rfahrung bzw. in te rp re tie re n die m it Lukas gem einsam e Verfolgungssituation entgegengesetzt. Die rom ischen Prokonsulen

schutzen nicht die Christen, sondern rufen zu ihrer Verfolgung auf.

Lukas beschw ort gegen diese U nheilskonstellation die friedliche Konflikt-

regelung der heilvollen, apostolischen Anfangszeit. Johannes dagegen zieht eine radikale Grenze.

Das T ier aus dem M eer verlangt die Anbetung seines Standbildes, angespielt

wird auf die V ergóttlichung des Kaisers zu seinen Lebzeiten, wie sie D om itian betrieb. Die Asiarchen, die Leiter des Kaisertempels, unterstiitzen aus Staatsrason

diese P o litik. Ephesus hat einen riesigen Tem pel fiir D om itian erbaut, dessen

F undam ente heute noch zu bew undern sind. D enn mit dem Tem pel sollte die

G unst des Kaisers erkauft werden, der die jáhrliche Steuerabgabe dann entspre- chend niedrig veranschlagt, in Ephesus den Sitz des rom. Prokonsuls beláBt und

auBerdem das Wohl der Stadt durch Geschenke und Verleihung von Biirgerrechten

und anderen Privilegien steigert.

Nun ist die Zeit eines Stadtschreibers aus der Apostelzeit vorbei. Das Wohl der Stadt, symbolisiert im Tier mit den beiden H ornern, fordert mit Drachenstimme die

Reverenz vor dem ersten tier ein. Und das Stadtwohl begniigt sich nicht mit der P ropaganda fiir das erste Tier, sondern es greift zu R epressalien und Kontroll-

maBnahmen. Die die Anbetung verweigern, w erden getotet. Die die A nbetung vollzogen haben, werden gekennzeichnet. Die sich der Anbetung entziehen, werden

aus der Marktwirtschaft ausgeschlossen.

W ieder liefert uns Plinius den Hinweis auf das Ende dieser Verfolgung. Mit

Domitians Erm ordung erlischt die Forcierung des Kaiserkultes. D er von den nach-

folgenden Kaiser Nerva adoptierte Trajan trifft die Regelung, daB die Christen nicht

von der Stadt zu verfolgen sind, sondern nur auf nam entliche A nzeigen hin anzu- klagen sind (Plinius, ep 97). Eine Zeit der Ruhe tritt fiir die Christen ein. Lukas

behált auf der Ebene der personalen Taktik vorláufig Recht, daB ein verniinftiger

S tad tsch reib e r und ein verniinftiger K aiser den F rie d en w ieder h erzu stellen

verm ogen. Doch in der Verfolgungszeit ist den C hristen aufgegangen, daB ihr Schicksal dem Allgemeinwohl entgegensteht, daB eine verderbte W eltstruktur zu

(12)

Das Verstándnis von Arbeit im Neuen Testament

ihrer E rhaltung das Leben der Christen bedroht oder m arginalisiert. Johannes

greift auf die apokalyptische Symbolik zuriick, um den strukturellen Unheilszustand

zu beschreiben: Beide Tiere miissen erst vernichtet werden, bevor die Menschen wieder frei atm en und arbeiten konnen. Hoffnungen auf Veránderung der unheils-

strukturen durch Personalwechsel sind sinnlos; fur das Tier aus dem M eer bleiben die herrscherlichen Kópfe austauschbar.

SCHLUS

Die Bedeutung der apokalyptischen Symbolik sehe ich darin, daB sie ungerechte Strukturen als Struktur zu erfassen vermag und den in der Antike iiblichen Weg

iiberw indet, stru k tu relle Schw ierigkeiten zu p ersonalisieren und an P ersonen

abzuarbeiten. Nicht der einzelne Asiarch oder Stadtverantwortliche wird attackiert, der ja dann einwenden kónnte, daB er fiir sich gar nichts, fur das Wohl der Stadt

ab e r alles wolle. D em V erfo lg er wird n ah eg eleg t, zu b eg re ife n , in w essen

Abhángigkeit er sich bei seiner Verfolgungsaktion begibt. Und naturlich wird der Gem einde ein Verstehensschliissel angeboten, die iiber sie hereinbrechende, argu-

mentativ nicht m ehr abzuwendende Verfolgung personeniibergreifend zu deuten. Nun ist die V erfolgung a ufgrund der religiosen Einstellung nicht ein aktuelles

P roblem unseres gegenw ártigen S taates. W enn wir aber die herm eneutische

Verschiebung beobachten, daB heute okonomische und politische Konflikte nicht

m ehr auf der religiosen Ebene form uliert w erden, sondern direkt ausagiert und reflektiert werden, dann bleibt doch eine iiberraschende Aktualitát.

H eute gibt es in der Bundesrepublik rund 2,3 Millionen A rbeitslose, die aus

dem M ark des Kaufens und Verkaufens von A rbeitskraft herausgenom m en sind.

Sie alle trag en nicht das Z eichen des zw eiten T ieres. Sie konnen nicht eine Q ualifikation vorweisen, die der A nbetung des ersten T ieres, der unbegrenzten

Konsumsteigerung, dient. Sie haben der freien M arkwirtschaft nichts zu bieten.

Wer ist schuld?

G erad e diese Frage verm eidet die apokalyptische Symbolik, sie fragt tiefer:

Welche Rahmenbedingungen sind schuld? Die gegenwártigen Verháltnisse sind so,

daB die beiden Tiere regieren. Wir alle, die wir A rbeit haben, tragen die Kenn-

zeichen des zweiten Tieres und sorgen durch unsere A rbeit gerade dafiir, daB die

Anbetung des ersten Tieres gesichert bleibt, der Konsumsteigerung um jeden Preis. G ibt es einen Ausweg? D er Prophet fáhrt mit der Gegenvision des Lammes

fort, das um sich 144 Tausend Freigekaufte versammelt hat (Offb 14: 1-5) und im Endgericht ihnen allein die Weltherrschaft iibertrágt. Die Erlósungstat Jesu befreit

uns zum Protest gegen die Herrschaft der Tiere und zur Solidaritat mit denen, die

von den Tieren getótet oder marginalisiert werden.

(13)

Im Endgericht kommen das neue Jerusalem und der neue G arten Eden vom Himmel herab. Alle Anhánger des Lammes werden Erfiillung in ihrer Arbeit unter

idealen Arbeitsbedingungen finden (Offb 21: 22 - 22: 5).

Der Bogen der Naherwartung ist im NT vom vorosterlichen Jesus bis zur Offen- barung des Johannes gespannt.

Wir haben gesehen, daB es Jesus und alien nachfolgenden Schriften darum geht, die tagliche A rbeit in die richtige Beziehung zur angebrochenen Kónigsherrschaft

Gottes zu setzen.

W áhrend die Erfahrungen Jesu und des Paulus und seiner Schule auf die ‘Haus- wirtschaft’ - wórtlich verstanden - in Land und Stadt beschránkt bleiben, dringt der

Prophet Johannes zu einer globalen Sicht zerriitteter Rahm enbedingungen von

A rbeit vor. Die Welt steht unter der Herrschaft des Tieres aus dem Abgrund mit

seinen Zeugungen w eiterer T iere. W elcher Betroffene wird ihm angesichts der katastrophalen Arbeitsmarktbedingungen in unserem Land und insbesondere der 3.

Welt widersprechen?

Ob das lukanische Vertrauen auf die Vernunft im Horizont der angebrochenen

Gottesherrschaft wieder einmal eine langfristige Losung herbeifiihren wird oder die

apokalyptische E rfahrung der U nvernunft sich bestátigen wird, liegt jedoch in

unserer Hand. Die Zukunft wird zeigen, ob wir als Subjekte der A rbeit und der Gestaltung der Rahmenbedingungen von Arbeit noch zu handeln vermógen oder ob

wir als handlungsunfáhige Objekte einer verderbten W eltstruktur den Untergang

dieser Welt ohnmachtig erleiden miissen.

Seit Jesu Verkiindigung der Kóningherrschaft Gottes herrscht diese Spannung zwischen H andeln aus dem Indikativ des Heils und Leiden an den W iderstánden

der sich verweigernden Welt.

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References

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